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Designgespräch III: Designtheorie

Begonnen von Nilles, November 02, 2019, 12:09:42 Vormittag

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Nilles


Unser französischer Gourmetjournalist Beau xmoteur im Interview mit dem bekannten Autodesigner Willem de Sign.

 
Herr Dipl. Designer de Sign, schildern Sie uns doch einmal ihren Berufsalltag und die Aufgaben in den heutigen schwierigen Zeiten, zwischen China und veganen Retrowellen. Wie entsteht ein modernes Automobil?

>>> Ja, die Zeiten sind sehr komplex, das kann ein Designer alleine nicht schaffen, wir teilen die Aufgaben immer in special-account-Teams auf, jeder entwickelt einen Teilbereich, und am Schluss kommt mit etwas Glück ein fahrendes Auto heraus.

Wer koordiniert, wer hat die Leitung?

>>> Das sind die Produktentwickler, die Marketing-Fachleute  und die Kaufmänner. Klar ist, das immer nach 5 Jahren ein neues Modell auf den Markt kommt, da werden dann Deadlines für jedes einzelne Bauteil gesetzt, wann z.B. das Armaturenbrett oder das Fahrwerk, der Motor fertig sein sollen. Die Fristen werden natürlich wahnsinnig kurz gesetzt, so das jedes Team losrennt und wild voranarbeitet, der Druck ist gross, sonst hat jeder Verspätung. So 2 Jahre vor Markteinführung legen wir alles auf einen Haufen, bauen es zusammen, gucken wie alles passt, und wieviele Kilometer Kabel wir jetzt noch für das Infotainment und die Sensoren verlegen müssen, das ist wie beim Flugzeugbau. Dann geht es noch 2 Jahre in die Computerüberwachte Crash-Detection, mit auto-feedback, wer wo wann was anpassen muss. Um dieses To-Do Program zu programieren, brauchen wir 15 Monate, da bleiben zum Abarbeiten dann leider nur noch 9 Monate. Das ist dann aber alles mittlerweile automatisiert. Da braucht keiner mehr gross nachfragen, das flutscht. So kristallisiert sich dann automaisch die Form heraus.

Aber sie sind der Designchef, was ist ihre Aufgabe?

>>> Nun, ich kümmere mich natürlich um das, womit wir am meisten Geld verdienen, also die wirklich strategischen Fragen, die Alu-Felgen. Gleichzeitig ist das ein Thema, bei dem wir nicht komplett an den Starttermin des Typen festgelegt sind, weil es eben ein Systemisches ist, das grosse Geld, auf alle Typen anwendbar, super auszuprobieren im Ausstattungs- Konfigurator auf unserer Kauf-Mich Seite. Da haben wir also gewisse Freiheiten in der Entwicklung, können ins Detail gehen, ich geniesse das, ein toller Job. Und Navi, Infotainment und Smartphoneanbindung natürlich, da sitzen riesige Teams dran. Da gibt es laufend Testberichte, das irgendwas umständlich ist, dann hagelts gleich Kritik. Das darf man sich nicht erlauben. Eigentlich erstaunlich. Über Windows kotzen die Leute seit 30 Jahren, aber im Auto muss alles funktionieren. Wir haben es tatsächlich nie geschafft, unser Produkt als das darzustellen was es ist: Ein möglichst gut gemachtes Produkt, aber: bitte warten Sie bis ihr Problem an Microsoft übermittelt wird. Da haben wir uns mit unserem deutschen Perfektionismusversprechen selbst ein Ei gelegt, das wir jetzt ausbrüten müssen. Und natürlich Sondsysteme, gaaanz wichtig: Da kann man 3-6000€ draufschlagen, wenn Bang + Olufson oder Harman Kardon  draufsteht. Klasse. Wer gibt zuhause nochsoviel für eine gute Stereoanlage aus? Ich kenn viele, die in der Garage Musik hören. Dann kann die Frau derweil daheim laut staubsaugen.

Aber, wer verantwortet denn das Gesamtdesign des Autos? Die Erscheinung? Die Form? Wer hat die Übersicht?

>>> Oh, das macht bei uns der Manga Kamikaze, ein echter Freak, der sprudelt vor Ideen. Im Moment sind nur die Japaner und die Chinesen am Puls der Jugend. Nach der letzten Synergie- und clean-up-to-cost Runde im Konzern macht er das sogar nur noch halbtags, morgens gestaltet er jetzt Turnschuhe für eine andere Firma, das hat uns vorangebracht, auch mal über die Mauer zu schauen.

Im Ernst?

>>> Klar, waren Sie in letzter Zeit mal Sportschuhe kaufen? Da stehen die Kids neben ihnen und wissen ganz genau, warum der Rebock Finn-spirit mit den wahllos kreuz und quer vernähten Splitterlappen, die mühsam die Muskelspannungen eines Paavo Nurmi nachempfinden, schlechter aussehen, als die Nike Moon-Pimp die die Sohlen darauf hin optimiert haben das Neil Armstrong auf dem Mond nicht nur 2, sondern 5m weit gehüpft wäre. Ein kleiner Sprung für mich, ein grosser für Nike. Das ist die Botschaft, da müssen wir hin. Ich meine, die gesamte Autoindustrie ist schon recht weit darin, auszusehen wie ein Sneaker oder ein Turnschuh. Und dort werden für Sondermodelle der Sneaker horrende Preise bezahlt, von Leuten, die gar kein Geld haben. Wann hat man das zuletzt vor einem Autohaus gesehen, das die Leute davor übernachten um ein Sondermodell zu erhaschen? Was gäbe ich darum, das Fahrwerk einfach unten auf die Karrosse aufzuspritzen zu können? In der Automobilfertigung sind wir da noch ein Stück weg, wir machen immer noch die Rahmengenähte Sohle, die dummerweise auch noch ziemlich lange hält. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.

Und das funktioniert alles in der Zusammenarbeit mit den Einzeldisziplinen?

>>> Ja klar, es gibt einen klaren Rahmen. Im Computermodell ist ein eindeutiger Taburaum angelegt für Chrashtest-Zone, Fussgängerschutz, so 50 cm ringsum ums Auto, die von jeglicher Nutzung freizuhalten sind, dann 2 Sperrzonen für den Motorraum und die Radkästen, also bei Kleinwagen so 100-400PS und bis 225er und 19 Zoll Reifen, bei der Luxusklasse 200-850PS und bis 305er Reifen bis 24 Zoll und damit sind alle Parameter festgelegt. Im restlichen Raum sind wir dann völlig frei und mit der computerüberwachten Crash-Detection wird jeder falsche Strich in dieser Frozen-Zone gelöscht. Das hilft uns im Gestaltungsprozess schon enorm, weil damit wird die Kreativität und der Erfindungsgeist genügend eingeschränkt, damit's am Ende auch funktioniert. Wir können heutzutage nicht 3-5 Jahre nachbessern, der erste Wurf muss auch im Test bei Auto, Sponsor und Mord sitzen. Wer Visionen hat soll zum Arzt gehen, mir fällt gerade der Designer nicht ein, der das mal gesagt hat...


Herr de Sign, wir kommen zu unserem beliebten Fragespiel.

Was fahren Sie persönlich?

>> Oh, ich habe meinen Führerschein abgeben und fahre jetzt Bahn. Das war Einstellungskriterium bei der Personalabteilung, damit wir als Konzern möglichst ökologisch und modern und cool rüberkommen.

Was sagen ihnen die Namen: Georgetto Giugiaro, Dieter Rams, Mies van der Rohe, Ettore Sotsass, le corbusier, Jonathan Paul Ive, Flaminio Bertoni?

>>> Äh, Moment, Hersteller von Olivenöl? Nein halt, jetzt weiss ich's: Filmschauspieler.

Und was sagen ihnen die Begriffe  Ästhetik, Stil, Proportion?

>>> Ich hatte leider kein Latein, spätgeboren, aber Moment, Stil? Doch, da klingelts bei mir! Das ist so ein altertümlicher Begriff von Erhabenheit und Sicherheit in der Präsentation seiner Selbst, auch und besonders im Bereich des Designs und der Kleidung. Das hat mir mein Vater, der war einfacher Bahnbeamter, mal erklärt, der hat nicht mal Internet, der weigert sich. Stil war, soweit ich gelesen habe sogar mal ein Erziehungsziel.

Moment mal. Diese Themen wurden in ihrem KFZ-Design Studium nicht behandelt?

>>> Nein, das ist ja jetzt Bachelor und Turbomaster. Es gab eher einen Schwerpunkt in Marketingstrategien oder Betriebswirtschaft. Das muss man alles wissen für erfolgreiches Design. Früher haben die ja Aktzeichnen belegt, das sieht man auch an alten Rezzensionen zum Autodesign, "Kurven", "nahezu erotische Form", etc. Lachhaft, es gibt ja für solche Kurse gar keine Frauen mehr, die solange ruhig stehen würden im Fitnessstudio. Da haben wir eher alle work-shops  "Mit Erfolg auf die Überholspur" oder " Wie überschlage ich mich selbst" besucht.

Ja aber: Ist es auf den Straßen, in der Stadt, auf dem Land, wenn man seine Liebste abholt, ohne Ästhetik, nur mit PS lebenswert?

>>> Ich glaube, Sie leben da etwas im Gestern, Herr Bo xe moto.
Stil? Die Sneaker haben jetzt von der Straße den Aufstieg in die Vorstandsetagen geschafft. Derzeit breiten sich Jogging-Hosen und Leggings aus, selbst am Abend. In 10 Jahren sind die auch in den Vorstandsetagen der Dax-Konzerne angekommen. Jetzt bauen wir Autos, die wie Turnschuhe aussehen, in 20 Jahren bauen wir Autos wie Jogginghosen, mit lässigen, schlappernden Kotflügeln mit Gummizug und einem Wasserbett mit genügend Seitenhalt als Sitz. Das Bauhaus und am Schluss die 60er Jahre waren der letzte Versuch, den Stil von Oben nach Unten zu transportieren, über den Stolz auf Geschmack und Bildung. Aber im Moment geht es im Konsum von unten nach oben.

Heute sind es nur die Frauen mit ihren Lippenstiften und der Skin-Care, die das Internet lahmlegen, aber wenn die Männer anfangen, als Influenzer Autos zu testen, dann sind wir als Autobauer mit unserer Strategie der vorbehaltlosen Diversifizierung-on-demand gewappnet. Der Vorteil für uns ist im Moment: Frauen tippen bei Allem auf den Kaufen-Button, Männer nur bei Autos, das heisst, die können wir noch beeinflussen.

Sie behaupten also im Grunde? Der Kunde ist der Depp, weil er ein Depp ist?

>>> Kein Kommentar.

Herr de Sign, wir danken für das Gespräch.